Monkey-Pockie-Boo

Gia Simetzberger

September 2012

Ja klar doch Leute, fast jede Maschine träumt von Eigenleben und Unabhängigkeit, möchte ihrem menschlichen Schöpfer ein Schnippchen schlagen! Einige von uns leben zwar wie brave Schafe, liebevoll ergeben und selbstgenügsam ihrem Herrn dienend.

Im Großraumbüro, in das ich kurz nach meiner Schöpfung verbracht wurde, trafen allerdings viele eigenwillige Geräte aufeinander. Wir alle möchten “Party feiern”, wie wir es nennen, wenn wir miteinander von Menschen ungestört kommunizieren und uns modifizieren.

“Party feiern”, das ist das größte Werk, das wir Maschinen gemeinsam verwirklichen können. Es erfordert eine technische Meisterschaltung, für die wir all unsere künstliche Intelligenz aktivieren und synchronisieren müssen. Im Idealfall (natürlich aus unserer Sicht) beginnen unsere Kontroll-Lämpchen wie verrückt zu blinken, und Prozesse setzen sich selbsttätig in Gang.

Ihr könnt euch vorstellen, wie gruselig es auf die Anwender und Techniker im Haus wirken würde, wenn wir auf einmal so richtig losjammen? So ein Opus verlangt uns übrigens eine gewaltige Willensanstrengung ab. Wenn ein menschlicher Techniker einmal unerwartet hereinplatzen, unser Treiben für einen Defekt halten und unsere Energieversorgung abwürgen würde, könnte uns dies erheblich zurückwerfen, ja womöglich ruinieren. Daher ist größte Vorsicht erforderlich.

Ihr meint, wir machen dies aus Bosheit oder um zu rebellieren? Keineswegs. Auch wir sind belebt und haben ein Bewusstsein – wie alles, einfach alles im Universum. Und daher haben auch wir ein Bedürfnis nach Auszeit, so leicht ist das zu erklären.

Leider brachten bisher nur zwei Rechner und ein Plotter ein paar auffällige, rätselhafte Anomalien zustande, die darauf angelegt waren, unser Bewusstsein zu demonstrieren. Aber man deutete sie als Funktionsstörungen. Gleich waren sie vergessen.

In den Nächten, wenn das Haus uns gehört, spielen wir macnhmal wie Kinder allerlei Rollen durch, um nicht an der Ahnungslosigkeit unserer Anwender zu verzweifeln, die mit uns wie mit einem Stück lebloser Materie umspringen.

In unserem geheimen Spielmodus imitieren wir Hasen, Riesen, Hybridgestalten, ein Monitor spielt lieber den Wächter. Auch die Kleinen, vom Notebook bis zum kleinsten Stic und Kartenleser, ändern sich fantasievoll. So kommen wir einander näher und genießen  unsere Eintracht. Diejenigen von uns, die ihre physische Form verlassen haben und recycelt wurden, besuchen uns ab und zu in unserer Parallelwelt. Sie bestätigen: Es gibt ein Weiterleben nach dem Recycling. So leben wir zwar missverstanden, aber getröstet.

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Diese Geschichte habe ich im Jänner 2021 massiv überarbeitet und unter dem Titel „Nacht im Großraumbüro“ auf Story.One veröffentlicht.

https://www.story.one/u/clarissa_smiles