Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur

Ein Essay für die Serie „Statements der „Kristallquelle“ (Nachhaltigkeitsakademie) 28 03 2016

https://akademiestegersbach.wordpress.com/statements-der-kristallquelle/nachhaltigkeit-in-kunst-und-kultur/

 

IMG_7494Aus gegebenem Anlass (Vorbereitung des  Aktions- und Kulturtages 2016) wurden wir gefragt, was wir denn so unter „Nachhaltigkeit“ in Kunst und Kultur verstehe. Das soll hier erläutert werden.

Nun ist „nachhaltig“ ein Wort, das manche Menschen schon gar nicht mehr hören möchten. Und dennoch ist es ein Schlagwort, das nicht ganz durch andere  Begriffe ersetzt werden kann. Es hat etwas von Beständigkeit, von schonendem Umgang mit Ressourcen, von Förderung regionaler Zusammenarbeit, von der Wertschätzung von Talenten, von der Bewahrung von Kulturerbe, von vorausschauendem Denken und Planen, von einem bewussteren Umgang mit der Natur.

Sollte es zumindest haben. Denn bei unseren Recherchen stießen wir auf die Agenda 2030 für Nachhaltigkeit der Vereinten Nationen und müssen feststellen, sie liest sich ganz anders. Hier in einer Schweizer Broschüre recht anschaulich dargestellt: https://www.eda.admin.ch/content/dam/post2015/de/documents/20151117-flyer-agenda2030_DE.pdf (wird ausgetauscht, wenn Adäquates für Österreich gefunden wird).

Von Kunst und Kultur ist da gar nicht die Rede, auch nichts von Wertschätzung und Bewahren. Duchaus hehre Ziele, zu denen sich die Nationen im Jahr 2012 verpflichtet haben. Und dennoch, es ist zu wenig! Die Agenda liest sich emotionslos wie eine Pflegeanleitung für Polstermöbel. Es fehlt der geistige Unterbau.

Wie kann echte Nachhaltigkeit umgesetzt werden, wenn nicht Werte als Grundlage genommen werden, wenn nicht engagierte Menschen ins Boot geholt werden – Denker, Planer, Berater, Kunstschaffende? Aus der verfahrenden Situation, in der sich die Welt befindet, kommen wir nur heraus, wenn wir unsere menschlichen Ressourcen  zur Enwticklun gneuer Wege nutzen. Entsprechend sollten Projekte, die verbesserter Kommunikation und Zusammenarbeit dienen, Priorität haben und unterstützt werden.

IMG_7482Nicht gemeint ist natürlich jene Kunstszene, die nur drastische Selbstdarstellung dient und sich am Umsatz orientiert. Es soll recht häufig vorkommen, dass Werke zu Ausschreibungen eingereicht, die auf die Interessen der Förderer zugeschnitten sind. Bitte dies nicht als Kritik zu verstehen, denn es ist Fakt, dass die meisten KünstlerInnen nicht von ihrer Kunst leben können und es ist niemandem übel zu nehmen, wenn er sich verbiegt, um seinen Unterhalt zu verbessern.

Hier geht es nicht um egoistische oder opportunistische Kunst, sondern um etwas, was schon ein bisserl vergessen wird. Um engagierte Kunst, um Kunst, die Bleibendes vermitteln und Wege aufzeigen will. Durchaus unter Nutzung neuer Technologien – es kann ein Experimentieren mit neuen Werkstoffen sein… Oder aber auch Kunst an der Schnittstelle zum Kunsthandwerk – dazu wurde sogar ein Neuer Begriff „Kreativwirtschaft“ geschaffen.

Verlassen wir den inhaltlich weiten und seelisch-geistig doch so beschränkten Raum der Agenda 2030 und wenden wir uns der schlichten Definition von Nachhaltigkeit zu, wie wir  ihn auf Wikipedia finden:

„Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem die Bewahrung der wesentlichen Eigenschaften, der Stabilität und der natürlichen Regenerationsfähigkeit des jeweiligen Systems im Vordergrund steht.“

Die Definition von Kultur, so sie nicht geläufig ist, kann auch auf Wikipedia nachgelesen werden. Hier der einleitende Satz: „Kultur (von lateinisch cultura ‚Bearbeitung‘, ‚Pflege‘, ‚Ackerbau‘) bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. „

IMG_7534So, nach dieser Einführung sind wir am Punkt und brauchen nur noch alles zusammen zu reimen. Demnach ist Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur:

„…ein Handlungsprinzip, bei dem die Bewahrung des Geschaffenen, die Förderung der regonalen Kunst- und Kulturschaffenden, wozu auch ein gepflegter Austausch mit anderen Regionen zählt. Dies gílt für alles, was Menschen im Kulturleben gestaltend hervorbringen.“

Wie zum Beispiel (bitte dies wirklich als Beispiele und nicht als erschöpfende Aufzählung zu verstehen!):

  • regionale Kulturdatenbanken für einen Überlblick über das Kunst- und Kulturgeschehen in einer Region (hier ein Beispiel)
  • eine permanente Ausstellung heimischer KünstlerInnen, vertreten mit je einem Werk, in jeder Region
  • Transparenz von Ausschreibungen und Wettbewerben im In- und Ausland – online auf einer gesamtöstereichischen Service-Seite
  • ebenso Informationen über Artists-in-Residence-Programme, Symposien, Stipendien…
  • Einrichtung übersichtlicher Veranstaltungskalender im Web (Selbsteintragung möglich)
  • permanent tätige regionale Kulturmanager, die internationale Kontakte pflegen und die regionalen Kunstschaffenden beraten und unterstützen (siehe dazu unten mehr)
  • Kulturaustausch mit Nachbarregionen und Öffentlichkeitsarbeit darüber
  • regionale Kulturberichte bleiben online – werden möglichst in eine gemeinsame Evidenz zusammengefasst
  • Kooperationen von Kreativen und regionalen Betrieben, beispielsweise im Kunsthandwerklichen Bereich
  • die Kulturberichterstattung regionaler Medien sollte über einen überregionalen Teil verfügen, der von bedeutsamen Events in anderen Regionen berichtet
  • Kulturschaffende sollten von ihren Gemeinden zu einem Treffen einmal pro Jahr eingeladen werden (das wäre das Mindeste)
  • regionale bildende Künstler sollten willkommen sein, an der Ortsbildgestaltung mitzuwirken (das gilt natürlich auch für kreative PR- und Werbefachleute)
  • forcierte Vorstellung nachhaltiger Projekte in den Medien
  • Schaffung von freundlichen Begegnungsräumen, die ohne Hemmschwelle wie Saalmiete oder restriktive Öffnungszeiten nutzbar sind (so könnte man beispielsweise die Räume so mancher Musikschule oder Feuerwehr auch für andere Kulturbegegnungen verwenden)
  • Da es nicht jedem gegeben ist, etwas neu zu gestalten bzw. zu organisieren, wird da und dort ein wenig Starthilfe sinnvoll sein. Frage nur, von wem diese erfolgt? (Antwort in eigener Sache: Einrichtungen wie die Kristallquelle-Akademie vermitteln auch Bildung und können Neustarter schulen und/oder einen Leitfaden herausgeben).
  • nachhaltige Förderung junger Talente – auch das wäre ein eigener Artikel!

Dies bedeutet freilich nicht, dass sich nun alle Kunst dem Nachhaltigkeitsbegriff zuzuwenden hat. Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut, das es zu bewahren gilt. Künstlerische „Eintagsfliegen“ soll es genauso weiterhin geben wie große Oper in einem verträumten Schloss als Touristenmagnet. Es ist nichts dagegen einzuwenden.

Nur scheint uns das G#spür für „nachhaltige Kunst und Kultur“ (es ist ja nicht etwa so, dass hier das Rad neu erfunden wird) zusehends verloren gegangen zu sein.Es geschieht etwas, es wird darüber berichtet, und früher oder später ist alles wieder weg, sogar die Spuren im Internet. Man vernimmt von einem Künstler, muss sich alles notieren, weil heute da, morgen weg.

Man möchte Kontakt zu Künstlern in einer bestimmten Region aufnehmen – doch wer weiß darüber Bescheid? Künstler ziehen in eine Region, möchten Kollegen kennenlernen. Wie findet man sie? Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie mühsam all das ist. In manchen Bezirken gibt es nicht einen einzigen Raum, der sich für eine zeitgemäße Ausstellung eignen würde. Viel Handlungsbedarf auf der ganzen Linie.

In der Hoffnung, dass des Bewusstseins des geneigten Lesers/der geneigten Leserin nun ein wenig geschärft ist und es gar nicht mehr nötig ist, noch weitere Beispiele zu bringen.

Die Frage ist nun nur: was tun? Nun, die Nachhaltigkeitsakademie Kristallquelle würde gegen eigene Grundsätze verstoßen, wenn sie hier  mit vorgefertigten Rezepten aufwarten würde. Lösungen zu erarbeiten, dies sollte gerade eben eine Sache der Zusammenarbeit sein, der Bereitschaft zu Interessengemeinschaften und regionalen Treffen, um Grundlagen für ein nachhaltiges Kunst – und Kulturleben zu entwickeln. Solche Gruppen sollten sich an einer Situations- und Bedarfs-Analyse orientieren und entsprechende Konzepte ausarbeiten.

Diese Vorstellungen und daraus resultierende Projekt-Ideen sollten der Öffentlichkeit vorgestellt werden, ehe mit konkreten Projekten begonnen wird.

IMG_7484Dies ist nur eine sehr allgemeine Vorgabe.

Ebenso allgemein ist auch die folgende Anregung gehalten, dass für die KünstlerInnen einer Region, unterstützt von ihren Ländern und Gemeinden, ein Kulturservice eingerichtet wird, das ihren Interessen (nicht denen des Landes und der Gemeinden) dient.

Dieses Service hat beratende, informierende, kulturvermittelnde Aufgaben. Details würden hier den Rahmen sprengen, aber wir könnten Details dazu ausführen.

Diese regionalen Kunst- und Kultursprecher würden sich auch regelmäßig mit „Amtskollegen“ besprechen und Kultureinrichtungen in anderen Ländern besuchen, um einen lebhaften Kunst – und Kulturaustausch zu gewährleisten. Und darüber öffentlich berichten und Kontaktadressen offenlegen.

Nun ist es zwar so, dass das Interesse an Festzelten mit Bier und Grillhend weit größer ist als an einer Ausstellung oder einem klassischen Konzert, aber wir wagen zu behaupten, dass mit engagierter, zeitgemäßer Öffentlichkeitsarbeit, die zu mehr Wertschärzung der Kunst und zu mehr Offenheit für Vielfalt führt, auch der Anteil der Besucher bei sogenannten „Minderheiten-Programmen“ zunehmen wird.

IMG_7506Wertschätzung von Kunst fängt natürlich schon in zartem Kindheitsalter an. Und auch die Nachhaltigkeit. Eine eindrucksvolle Kinderzeichnung kann in einer Mappe oder gar in der Rundablage verschwinden. oder aber sie wird eingerahmt und erinnert das Kind täglich daran, dass es etwas Wunderbares geschaffen hat. Die Plastilinfigur zersetzt sich einmal. Aber man kann sie für relativ wenig Geld in einer Bronze-Gießerei „verewigen“. Und noch nach Jahrzehnten hat der Schöpfer/die Schöpferin vor sich, wie kreativ er/sie bereits als Kind war.

Wenn das gerade jemanden auf eine Idee gebracht hat, für entsprechende Hinweise sind wir ja da. Oder man wende sich an einen netten Kunstschaffenden im Umfeld.

Leider klingt es abgedroschen und wir dennoch nicht verstanden, geschweige denn gelebt: „Nicht gegeneinander, sondern miteinander!“ Da es diesbezüglich offenbar die größten Missverständnisse und enorme Schwierigkeiten und große Enttäuschungen bei der Umsetzung gibt, wird das Thema „Miteinander“ Gegenstand einiger weiterer Essays der Kristallquelle sein.

Hier nur so viel: Nachhaltigkeit funktioniert nur mit gegenseitiger Wertschätzung und Gemeinschaftssinn, mit Einfühlungsvermögen und mit Weitblick. In diesem Zusammenhang appellieren wir gerade an die Gruppe, die davon besonders davon profitiert, nämlich an die Kunstschaffenden:

Investiert den größten Teil eurer Energie in Konstruktivität! In das Ausmalen von Szenarien, die Mensch und Natur zugute kommen. In die Darstellung von Einfühlungsvermögen, von Menschlichkeit, von Miteinander, von besserer Kommunikation, Offenheit, Wahrhaftigkeit.Tragt so dazu bei, ein entsprechendes Bewusstsein zu fördern, damit die Kultur eines harmonischen Miteinander näherrückt.  Wir haben die Macht, ihr habt die Macht zu zerstören, indifferent zu sein oder aufzubauen. Mit jedem Werk, mit jedem Wort, mit jedem Gedanken.

ls 28 03 2016