Jeder für sich und alle ohne keinen (2016)

Von Miteinander könnte ein bisserl mehr zu spüren sein…

Einige kritische Betrachtungen zur Vielfalt des Möglichen und der Weg  des individuellen Zweckoptimismus fern von Blauäugigkeit

Jeder für sich und alle ohne keinen (2016)

Zu gerne wäre ich ein bisschen optimistisch.

Aber unser seltsamer Planet mit seiner Schieflage, seinen Klima- und Wetterschrullen und sonstigen Instabilitäten ächzt weiter unter der Last seiner närrischen Bewohner. Vielleicht hat er eben doch keine besseren verdient.
Ja, unsere Erde mit so viel Pracht und feinen Plätzen ist doch nicht minder spinnert als der Mensch. Oder, wie seht ihr das?
Jedenfalls, ich suche und suche Erklärungen dafür, dass so viel von Liebe, Natur, Einigkeit und Zusammenarbeit gesprochen wird, aber jeder doch nur sein eigenes Süppchen kocht.
Ist die Zeit nicht reif, oder war’s schon?
Schäfchensuchende auf dem Guru-Markt, Heilungssuchende bei Alternativkongressen – na klar, Angebot und Nachfrage, viel Geschäft mit Angst, Sehnsucht und Bequemlichkeit.
Immerhin recht viel Freiheit, keine Hexenverbrennungen wie einst. Zwar Restriktionen – manches Mal, wenn ich mich umschaue, finde ich es sogar verständlich.
Es ist ja gut und schön, wenn wir jetzt so vieles ausprobieren können, wenn wir uns so manchen Zugang erkämpft haben udn eine Vielfalt von  Ausbildungen genießen können.
Ach, was muss ich auch immer gleich beide Seiten erfassen!
Es gibt die Vielfalt – gut und schlecht.
Als Netzwerkerin bekomme ich mitunter eine Überdosis, so viele AnbieterInnen, Vortragende, Bücher, Videos, Projekte… Hier ein verheißungsvolles Seminar, dort eine neue Therapie. Altbekanntes unter neuen Namen, ein Verein, unbedingt beitreten fürs Seelenheil, es freut sich der x-te Verein.
Brrrrr, kann ich da nur sagen. Zu viel ist doch zu viel.Bald gibt es nur noch selbsternannte Weisheitslehrer, Heilige aller Art, sich selbst vermarktende AutorInnen und ReferentInnen. Jeder sollte 200 geldhungrigen Vereinen beitreten, von denen einige für die Abschaffung des Geldes plädieren.
Heiter! Jahr für Jahr entstehen Hunderte neue Natur(Schutz/Garten/Erlebnis etc)vereine, früher gab es einen… Mancher Verein, manches Institut dient mit klingendem Namen als Aushängeschild für einen selbsternannten Fachmann oder ein Experten-Grüppchen. Denn nach einer Blitzschulung mit Diplom sind nun auch sie SemianrleiterInnen, hurra. Oder schnell mal ein Buch schreiben, mit großen Lettern und Bildern, vielleicht geghostwritert. Mangels Vorwissen und Horizont erfindet man Vorhandenes neu. Und schon hebt man sich von den Normalos ab! Ein Weisheits-Schneeballsystem!
Es ist ja alles gut, wie es ist – aber könnte man sich nicht wenigstens nur auf einen einzigen Verband für Gesundheit, Natur und Selbsthilfe einigen? Wohl illusorisch.
Vielleicht ist es einfach zu viel verlangt. Wir sind irdisch geprägte Wesen, in einer wirren Gesellschaft aufgewachsen, die zusehends chaotischer wird. Zu  gerne möchten viele von uns der Alltagsmühle entfliehen und den heilsverkündenden Parolen Glauben schenken, dass eine globale Transformation nahe oder bereits geschieht.

Nun bin ich die letzte, die so etws nicht glauben möchte. Ich kann der These durchaus etwas abgewinnen, dass wir göttliche Wesen sind, die wurscht was und wie es geschah, in Menschengestalt erheblich retardiert bzw eingeschränkt sind, aber nun durch eine neue kosmischen Einstrahlung, die uns durchbeutelt, unsere wahre Größe erkennen und leben werden.
Ich bin schon ein bisserl kritisch und skeptisch, zumal ich enstprechende Ankündigungen schon seit Jahrzehnten vernehme und sich inzwischen eigentlich schon Gewaltiges getan haben müsste…

Doch gesett den Fall, ich lebe im optimistischen Zustand eines transformatorischen Bewusstseins, sprich ich lebe im lauben, es würde sich alles zum Positiven verändenr. Wäre das hilfreich?  Würde es mir den Alltag erleichtern?
Sehr wohl, es nützt, kann ich aus Erfahrung sagen. Was ich denke und wie ich handle, bestimmt in der Tat meine Realität. Je geradliniger ich denke, je achtsamer ich lebe, desto klarer werden die Zusammenhänge.
Doch leider, schau‘ ich mich um, merke ich nichts von globaler Transformation,  wenn auch ein klein wenig Bewusstseinswandel im Umfeld. Man sollte also keine Erwartungen hegen, sich keinen Illusionen hingeben, die Welt so nehmen, wie sie ist – mit einem Wort, nicht naiv sein. Spart herbe Enttäuschungen.
Wohl oder übel sollte ich in diese Betrachtung aufnehmen, dass sich so gut wie alle, die „Liebe Liebe Liebe“ zu verbreiten pflegen, sich als äußerst unstabil erweisen und gemeinsame Sache mit ihnen genauso im Chaos endet wie mit manchen Multilevel-Marketing-Fantasten und anderen Glücksrittern. Zum Glück bin ich immer noch rechtzeitig abgesprungen.
All diese Gruppen, Bücher, Videos, Tagungen, all dieses Gerede von einer neuen Gesellschaft. – es deckt sich nicht mit der Realität.  Wenn ich’s nur einmal probiert hätte, aber ich habe es wieder und wieder und wieder probiert, suchte mein Hiel in der eien oder anderne Gemeinschaft oder Zusammenarbeit. Fazit:  Miteinander klappt weder in Schulklassen noch im Geschäftsleben und schon gar nicht in der Politik.
Kurzfristig, mag sein, um ein Ziel zu erreichen, da ziehen einmal alle an einem Strang.
Aber es gibt nichts, was dauerhaft konstruktiv ist. Mich bewegt schon lange die Frage : wieso?
Im Grunde wollen wir alle glücklich sein, wir wollen uns angenommen fühlen, sehnen uns nach Geborgenheit. Und – es klappt einfach nicht.
Ich habe vor einiger Zeit begonnen, genau auf diesen Knackpunkt zu achten.
Warum werden so viele Projekte begonnen, beseelt von Teamgeist und Enthusiasmus, um bald darauf zu floppen? Warum gehen so viele Beziehungen in Brüche? Was geschieht, damit eine wunderbare Sache ins Gegenteil kippt?

Es schleichen sich Nachlässigkeiten ein, Unsicherheit, Ängste, Neid… Die Schatten gewinnen Macht. Das Projekt, die Beziehung, die Teamarbeit scheitert an unseren sogenannten  menschlichen Schwächen.

Daraus kann ich für mich nur eines folgern: Die EgoistInnen sind die Lebensklügeren. Miteinander kann man erfolgreich heucheln, aber nur kläglich leben. Nun gut, ich schau, wie diese Strategie, die offenbar von so vielen Menschen erfolgreich angewendet wird, bei mir wirkt: „Jeder für sich und alle ohne keinen.“

Die ersten Monate Selbstversuch schauen schon mal recht rosig aus. Man fühlt sich so herrlich losgelöst vom Kollektiv.  Hat man sonst immer was für alle getan – nun fangen sogardie anderen an, etwas für dich zu tun. Beginnt mir zu gefallen.

April 2016