Weinlese – Teil 1 (2011)

Weinlese erster Teil 2011

So wunderschöne Trauben! Der Noah muß runter. Der brave Weinstock – zwei Eimer wird’s geben. Prachtvolles Herbstwetter. Bewaffnet mit zwei Eimern, einem größeren Behälter (bin ja doch sehr optimistisch), einer Rebschere, einer Sichel, einer Astschere und festen Arbeitshandschuhen bewaffnet ziehe ich los, hinters Haus, zum Weingartl.

Astschere? Feste Arbeitshandschuhe? – Jeder, der schon einmal bei der Weinlese mithalf, wird da stutzig. Ja, Freunde… Weinlese bei MIR ist anders!!

Am Weinspalier hängen die Trauben im Freistil. Zwischen den Reihen ist relativ frisch gemäht, aber… Unkrautentfernung, das ging sich heuer beim besten Willen nie aus.

Die Lese wird zur Freilegung des Objektes der Begierde… Na, den Noah, den legendären Naturburschen aus der Uhudler-Familie, den hat’s gr nicht so verwachsen. Aber wenn ich grad da heroben im Weinberg bin und Teil zwei der Ernte bald erfolgt, nämlich die Lese der roten Sorten, befreie ich diese schon jetzt, so gut es geht. Wer weiß, bis dahin kann’s schon ganz schön frisch werden – wer hat da Lust, länger als erforderlich zu verweilen? Schon jetzt ist gut…

Einigartig, dieser totaaale Naturweingarten! Da sprießt es am Fuß der Rebstöcke – Odermennig, Bibernelle, Gräser, Himbeeren, Pfaffenhütchen und die Dornigen, die meiner Farm den Spitznamen Thornhill Ranch einbrachten: Weißdorn, Brombeeren, Heckenrosen. Routiniert und unerschrocken als Weinbefreierin im Einsatz, behandschuht und mit Sichel und Astschere beaffnet, sehe ich nach einigen Minuten bereits aus, als hätte ich ein Inferno überlebt – zerkratzt an Armen und Beinen, rundum bluttriefend, mit Odermennig-Fruchtständen im Haar und an der Kleidung, verschwitzt, erschöpft, zufrieden. Unsere schwarze Katze namens Schneeflocke kommt mich besuchen und breitet sich entspannt auf einem dornenfreien Wiesenstückchen aus, schaut mir zu, wie ich das Areal zwischen Reihe Nummer zwei und Mostbirnbaum rode, schneide, reiße, zupfe, zerre… Seltam, diese Menschen…

Die eigentliche Weinlese ist – abgesehen von der etwas sonderbaren Grundstimmung, in der ich mich heute befinde – vergnüglich und unkompliziert. Lecker, heuer besonders süß und reif… Da sind ja noch Trauben, und noch Trauben, und noch mehr Trauben! Der Bottich füllt sich und noch ein Eimer dazu. Eindeutig zu viel zum Einkochen. Für das geplante Gelee brauch’ ich doch nur ein paar Kilo Weintrauben. Quitten komme ja auch noch rein. Also was tun? Pressen? Dafür ist die Menge wieder eher zu gering. Die Entscheidung wird auf morgen vertagt.

Bei Kaffee und Fruchtsaft kommt mir in den Sinn, dass diese Weinlese schon recht bezeichnend für mein gegenwärtiges Leben ist. Plackerei und Dornen, Sonnenschein und Überfluss. Und jedenfall keinesfalls typisch!

Ich freu’ mich schon auf einen Abend bei Freunden. Schneeflocke ist auf die Tagesdecke auf meinem Bett übersiedelt. Schneeflocke, heute waren wir wieder mal tüchtig, gell? Ihr schwarzes Fell glänzt, und das anhängliche Katzenvieh duftet nach Wiese und Sonne.