Energie.Spuren.Suche

bildschirmfoto-einl-okText für eine Lesung bei der Vernissage der gleichnamigen Ausstellung am 8. April 2016 in Güssing, Südburgenland

Das Thema für die Ausstellung flog mir irgendwie zu. Es war einfach da und erschien mir stimmig. Erst dann ging mir Einiges dazu durch den Sinn. Davon handelt gleichnishaft der folgende Text.

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Energie.Spuren.Suche

Assoziationen und Erkenntnisse



Energie – das Wort hat so viele Bedeutungen, damit verbindet man so viel…

Licht, Blitz, Vulkane, Feuer, Hitze, Leben, Wirbel, Kraft, Freude, Nahrung, Treibstoff, Atomenergie, Energieteilchen, Temperament, Dynamik, Tanz, Impulse, Gesundheit, Kondition, Training, Maschinen, Motoren, PS, Strom, Batterien, Akkus, Speicher, Explosion, Implosion, Lawine, Schöpfung, Zerstörung, Klang, Glück, Wachstum,  Veränderung, Transformation, Wasserkraft, Funken, Kerzenlicht, Kraftwerk, Heizung, Glühbirnen, LEDs, Feuerwerk, Sport, Leistung, Kondition, Motivation, Impuls, Macht, Magie, Kraftplätze, …
Was noch? …. (Publikum)

Spuren – das Wort hat so viele Bedeutungen, damit verbindet man so viel….

Fußspuren, Reifenspuren, Risse, Funde, Andenken, Fotos, DNA-Spuren, Schriftzeichen, Symbole, Fingerabdrücke, Falten, Kratzer, Kratzspuren, Reste, Abfall, Abrieb, Sedimente, Flecken, Kleckse, Notiz, Dokumente, Gedächtnisspuren (Engramme), Russ, Asche, Knochen, Reliquien, Plastikmüll, Kunst, Traditionen, Blitzspuren, Pfützen, Lichtreflexionen, Schatten, Brösel, Wasserränder, Löcher, Brandspuren, Kohle, leere Muschelschalen, Sand, Fossilien, Pfad, Pfadfinder, Ausgrabung, Fährte, Beweis…

Was noch?… (Publikum)

Suche – das Wort hat so viele Bedeutungen, damit verbindet man so viel…

Nachdenken, Erinnern, Vergessen, Verlust, Lösung, Heiliger Antonius, Forschung, Erfindung, Entdeckung, Nachforschung, Recherche, Rückführung, Sehnsucht, Partnersuche, Schnitzeljagd, Schwammerlsuche, Paketsendungsverfolgung, Analyse, Fährtenverfolgung, Nacheile, Abgängigkeitsanzeige, Entführung, Versteck, Register, Liste, Kiste, Grübeln, Steckbrief, Sonde, Mikroskop, Taschenlampe,…

Was noch?… (Publikum)

Eigentlich reicht das schon. Aber ihr möchtet doch lieber eine Geschichte hören?

Na gut. 🙂

In der folgenden Geschichte ist es belanglos, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelt. Daher wird in „Mensch-Form“ erzählt. Da das Wort Mensch grammatikalisch männlich ist, ist von einem „Der“ die Rede, obwohl es sich natürlich auch genauso um eine „Die“ handeln kann. Diese Problematik versetzte mich in einen schweren Gender-Konflikt, aber die „Menschin“ gibt’s noch nicht, „Lebewesen“ wäre zu allgemein, außerdem sächlich, und überhaupt, ich kann nur bitten, man möge mir verzeihen.

Das Innehalten und die Lebensquelle

Ein Mensch also weilte schon geraume Weile auf der Erde, war sozusagen mittleren Alters, obwohl eine solche Festlegung ja irgendwie problematisch ist, weil irdische Abreisedaten meist ungewiss sind…. Er/beziehungsweise sie…  sah sich damit konfrontiert, dass er/sie nicht jünger wurde. Er besah sich im Spiegel, hielt Rückschau und Vorschau und überdachte seinen Status Quo und beschloss, das Privileg seiner Sterblichkeit zu genießen.

An einem sonnigen  Spätnachmittag setzte sich der Mensch vor eine imaginäre Kinoleinwand und sah die Spuren, die sein bisheriges Dasein hinterlassen hatte. Beziehungen, Nachwuchs, Wohnung, Bäume,  Sträucher, Fotos, Filme, Dokumente…. Kindheit und Jugend zogen an ihm vorüber, Reisen und frohe Momente. Und auch all die Wunden, die Schmerzen, die Narben zeigten sich. Da war die lange Suche nach Bestimmung und Lebensziel.

Schließlich bleiben die wandernden Bilder auf dem vorgestellten Bildschirm stehen und  begannen zu verblassen. Seine Aufmerksamkeit wurde auf etwas Größeres, weitaus Mächtigeres gezogen. Denn da war dieser eine, unauslöschliche Sonnenuntergang…

Vielleicht lag es daran, dass er so in sich vertieft und entspannt war wie noch wie zuvor. Noch nie hatte er sich bewusst auf die Wahrnehmung der Sonne dermaßen eingelassen. Eigentlich seltsam.

Er schaute ins milde rötlich-orange Licht und nahm die Sonne in sich auf, als würde er mit ihr verschmelzen. Die Fasern seines Energiekörpers justierten sich an den Sonnenstrahlen. Es war ihm, als stieg er in eine neue Ebene auf, wie ein Phönix. Doch es kam  auch einem Erinnern gleich, an Heimat, Wurzeln und unendliche Kraft. Er spürte ein Gelöstsein in sich aufsteigen, das alles versteht und alles verzeiht.

Es hatte sich etwas verändert. Sein Atem glich dem eines Ozeans. Sein Herz war sonnengleich geworden. Es überstrahlte sein ganzes Sein und wies ihm den echten Weg, der keine Richtung hat. Nun erkannte er: alles oder nichts! Es gilt, dieser liebevollen Mitte immerdar gewahr zu sein, so als ob man mit einer Laterne durch finstere Nacht wandert.

Eine innere Fröhlichkeit sprudelte in ihm und er erkannte die Freude als seinen ureigenen Lebensquell. Er sah sich umgeben von Leben, erfüllt von nie zuvor gefühlter Freude.

Wir sehen Spuren im Sand – und erblicken einen Teil von uns.
Die Lichtspuren fahrender Autos in der Nacht – sie erinnern an unsere Suche nach Zielen.
Die ersten wärmenden Sonnenstrahlen im Frühling – sie lassen uns erahnen, dass wir Energiewesen sind.

Alles spiegelt unser Denken und Handeln, unsere Gefühle, unser Sein. Doch wir verbringen Jahrzehnte in Hast und sehen nicht, was vor uns ist.

Alles entspricht uns, doch nur durch Innehalten ist dies zu begreifen. Wir sind wie behext von Ablenkungen, um nur ja nicht zum Kern zu gelangen. Alles ist Gleichnis, ist Bildnis, zeigt uns, wo wir uns auf unserer Wanderschaft befinden. Doch es ist, also ob wir auf den harten Weg versessen wären. Ein magischer Moment genügt, um uns aus unserem Dämmerschlaf zu erwecken.

Unserem Menschen wurde soeben dieses Erlebnis zuteil. Urplötzlich fühlte er sich neu belebt und voller Lebensfreude. Er empfand tiefste Dankbarkeit und inneren Frieden, zum ersten Mal in seinem Dasein. Ich bin von Leben umgeben bis in die Unendlichkeit, sagte er sich, schloss die Augen und flog um die Welt, reiste in Gedankengeschwindigkeit in ferne Galaxien und hielt schließlich vergnügt Rast an einem munteren Bächlein seiner geliebten Heimat.

Alles, was er schuf, hat ihn geformt. Alles, was er formte, hat er geschaffen. Alles ist mit allem verbunden, Energien in ständiger Veränderung. Nun war ihm bewusst, dass Endlichkeit und Unendlichkeit ineinander verwoben sind, dass ihm seine Zerbrechlichkeit Stärke verleiht, dass ihn sein Atem heilt und dass er seinen Heimatplaneten und seine Bewohner unterstützen kann, auch wenn er sich nicht von seinem Platz bewegt – auch wenn er keine Bücher schreibt. Er stand unter Strom. Er verstand, ohne etwas in Worte fassen zu müssen. Er beschloss, diese neue Bewusstheit nie mehr zu verlassen und in ihrem Geist zu leben. Lebendig, wahrhaftig und herzenswarm. Einfach zu leben.

Alles, was vor ihm lag, umarmte er froh. Eine winzige Spinne krabbelte über seine Kleidung. Leben, ich spüre dich leben. Er entließ sie in die Freiheit der Natur.

Gia Simetzberger 07 04 2016