rauris und seine illustren gäste

Rauris und seine illustren Gäste
Impressionen von den 41. Rauriser Literaturtagen 30.3. – 3.4.2011
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Rauris und seine illustren Gäste

Impressionen von den 41. Rauriser Literaturtagen (30.3. bis 3.4.2011)

Jedem das Seine… Mir war zufällig beschieden, zunächst einige Tage lang das iyllische Rauriser Tal und seine Bewohner ein wenig kennen zu lernen, um am Ende des kurzen Erholungsaufenthaltes zur Eröffnung der Rauriser Literaturtage teilhaben zu können. Journalistische Fakten und Einzelheiten des Programmes möchte ich an dieser Stelle nicht notieren.

Derlei findet sich ohnehin an anderer Stelle, zum Beispiel:

http://salzburg.orf.at/stories/507596/ und
http://www.rauriser-literaturtage.at/

Optische Eindrücke haben für mich noch nie allein gezählt. Bei Werbeslogans klappe ich die Ohren zu. Das bisschen, das ich über das Raurisertal wusste, ließ mich einen kargen, schmalen Taleinschnitt in schroffem Gebirge vermuten, mit nicht minder verhaltenem Bewohnern. Selten habe ich mich so getäuscht. Sanft war der erste Eindruck, und eine schier endlose Geduld, Natürlichkeit und Freundlichkeit kam mir überall so überdeutlich entgegen, dass ich mich fragte: Bin ich noch auf diesem Planeten? In einer Zeit der Beschleunigung und Entmenschung… Unpersönliche Städte, kommunkationsverarmte Dörfer… und hier noch ein Gebiet, das im Positiven ungefähr ans Flair der Sechziger Jahre erinnert – noch mehr Zeit für Gäste, Bedächtigkeit, ungekünstelte Freundlichkeit. Würden es die berühmten Literaten und Literatinnen, deren Konterfeis in den Schaufenstern der Marktstraße prangten, ebenfalls so dankbar und erfreut aufnehmen und genießen wie ich? Würden sie feine Leute sein, weltoffen, anpassunfähig… Oder etwa gar eitle, mit Preisen überhäufte Lackaffen? Neugierig war ich, zumal meine letzte beiden Besuche von Lesungen mit Brechreiz und Schmerzen in der Brust geendet hatten – ja, einmal davon verließ ich sogar ohne Rücksicht auf Gespött fluchtartig den Saal, weil es mir war, als wollte das junge aufstrebende Talent auf der Bühne sein Publikum verbal mit Jauche überschütten. Während bei Franzobel mein Schock so groß war und meine Energie zu gering, um die Flucht anzutreten. Doch eigentlich wollte ich von Rauris erzählen.

Die Eröffnung fand in betont normal-herzlich-feierlicher Atmosphäre samt ORF und Promis statt. Doch dann kam die „Siegerehrung“ – Preisverleih an eine junge Schweizerin. Sie bedankte sich launig-humorvoll in der Art eines Schülerinnen-Fantasieaufsatzes für die Einladung nach Rauris. Es wurde bald klar, dass sie mit ihrem Assoziations-Flow weit eher liebäugelt als mit dem Umfeld, das sie herzlich zu empfangen bemüht war. Fast liegt die Vermutung nahe, dass ihr innere Monolog für sie eigentlich gar nicht zu stoppen ist. Zuletzt schwoll er an zu einer Ausdehnung auf die unlustigen gobalen Geschehnisse – Japan, Libyen & Co., um deren Präsenz verbal ins abgeschiedene Rauris  zu transferieren und um diese Geschehnisse klug in Relation zu stellen. Der Schweizer Literatur-Experte, die geladen war, ihre Laudatio zu halten, verlas so monoton eigene Kommentare und Sieger-Buch-Zitate, dass es manchmal beim Einnicken im stickigen Saal nicht unterscheidbar war. Schießlich folgte noch eine Lesung mit Einleitung und weiteren Passagen aus dem Buch. Ein Weilchen folgte ich noch den recht erfrischend anmutenden Kapriolen, doch um hatte mein  Kopf den Bauplan erfasst, begann er sich zu langweilen und gierte auf Botschaften und Tiefgang. Vergeblich. Ist vielleicht eines der Werke, die man nicht gleich versteht, mit subtilen Andeutungen, kleinen Geheimnisssen… Fakt war, ich konnte mich bemühen, wie ich wollte, es berührte meine Seele nicht, ich empfand keine Spannung, und es zog nicht einmal ein Hauch von dieser Gänsehaut auf. What’s wrong with me?

„So ist’s alle Jahre…“, nickten vertrauensvoll einige Rauriser und Rauriserinnen. Ja, die Intendantin, da sei eine wunderbare Frau – und auch eine gefühlvolle Autorin. Doch mit dem Meisten – mit Verlaub, auch wenn man sehr bemüht sei, es zu verstehen, könne man halt leider sehr wenig anfangen. Ich war also nicht allein auf weiterer Flur. Die sehr gebildete, empathische Dame neben mir, die weit angereist war, sah ihre Hoffnung auf einen neuen Geist in der deutschsprachigen Literatur auch nicht erfüllt. Wer, bitte, wer ist die Jury? Nein, eigentlich will ich es gar nicht wissen.

Nach dem offiziellen Teil näherte ich mich dem reichhaltigen Büchertisch in der Hoffnung, ein oder zwei Mitnehmsel zu erstehen, die mir vermitteln, was gute, spannende Literatur ist. Kaum ein Buch, das ich nicht zur Hand nahm. Nichts bewegte mich wirklich zu mehr als zm Durchblättern. Es ging mir wie in einem Supermarkt, in dem ich unter all den chemisch konservierten und mit Geschmacksstoffen versehenen Nahrungsmitteln die Qual der Wahl habe und immer verzweifelte nach einem gesunden natürlichen Lebensmittel Ausschau halte. Alle Autoren und Autorinnen in Ehren, aber für mich ist nichts dabei, nichts, das mich weiter brächte, mich aufrichten und stärken vermag, was neue Einsichten erwarten ließe. Ich brauche keine Füllstoffe für mein Dasein, keinen reinen Zeitvertreib – das sollte schon was sein, das „flasht“.  Nun, vielleicht war es nicht mein Tag, und womöglich habe ich was übersehen.

Auch konnte ich nicht umhin, mich unentwegt an Sieglinde Jank-Arrich zu erinnern, mit der mich eine Bild und Lyrik-Kooperation verbindet. Sie strebte nie einen Rummel um ihr Person an, hatte nie den Zugang zu akademischer Schulbildung… Wenn sie schreibt, sind Denken und Fühlen im Einklang. Jede Zeile ist berührend, schwingt doch ihre Seele mit. Aber in unserer Welt der Eitelkeiten – wer hier würde unter fein herausgeputzen Prunksträußen diesem zarten Landblumen-Bouquet den Vorrang einräumen? Hier zählt nicht (mehr) /noch nicht (wieder), was innerlich aufrichtet und bewegt, was echten Tiefgang hat. Und, by the way, wie kann jemand Tiefgang erkennen, der ihn selber nicht (mehr)/noch nicht (wieder) in sich hat?

Das für die 41. Rauriser Literaturtage gewählte Rahmenthema setzt sich mit dem Begriff „Schuld“ auseinander. Das ist an und für sich ein schweres Thema, und – wie schade! – im Grunde genommen ein überholtes. Warum? Weil er neue Zeitgeist nicht mehr mit Begriffen wie „Schuld“ und „Strafe“ operiert. Jeder seriöse Mentalcoach, jeder zeitgemäße Psychologe spricht von Ursachen und Folgen, was in östlicher Weisheit schon lange als Karma-Lehre vertraut ist. So viel nur als Andeutung – genug ist bereits darüber veröffentlicht und kundgetan. Doch leider wurde hier eine Text bzw. Quellensuche und Erörterung de alten Parameter vom Zaun gebrochen, die wir spätestens jetzt wie abgetragene Kleider verabschieden sollten.

Es kann auch durchaus sein, dass die folgenden Tage mit ihrem dichten Dichter-Programm amüsant und erlebnisreich sind, dass sich die teilnehmenden Schriftsteller als liebenswürdige Menschen entpuppen und – wer weiß – sogar von der wunderbaren Landschaft inspiriert zu neuen Werken fühlen und gleich loslegen. Ich kann mir leider kein Bild davon machen. Wäre der Verlauf analog zum Eröffnungsabend, das Miterleben hätte meine Traurigkeit darüber, was unter der hochgepriesenen zeitgenössischen Literatur zu verstehen ist, wohl bis zur Unerträglichkeit gesteigert. Wohl besser, dass ich heimfahren musste.

Aber wer weiß, vielleicht war es ein Schlüsselerlebnis für mich, das mich regelrecht aufstacheln soll? Vielleicht brauche ich so einem letzten Kick, um auf die Barrikaden zu steigen, wieder einmal… Jedenfalls, mehr zu erzählen hätte ich, viel mehr.


http://salzburg.orf.at/stories/507596/

KULTUR    31.03.2011
Schweizerin erhält Rauriser Literaturpreis
Die Schuld und wie Menschen mit eigener und fremder Schuld umgehen. Davon handeln die 41. Rauriser Literaturtage. Zum Auftakt erhielt die Schweizerin Dorothee Elmiger am Mittwoch den mit 8.000 Euro dotierten Rauriser Literaturpreis.

„Ein Buch, das das Kindsein sucht“
Das Land Salzburg finanziert den renommierten Rauriser Literaturpreis und daher ist es traditionell ein Vertreter des Landes, der den Preis überreicht. Die 25-jährige Elmiger wurde für ihren Roman „Einladung an die Waghalsigen“ ausgezeichnet.

Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) charakterisierte Rauris in diesem Zusammenhang als „Kraftplatz der Gegenwartsliteratur“ und der Schweizer Literaturkritiker Samuel Moser erklärte, was den Preisträger-Roman so besonders macht.

„‚Einladung an die Waghalsigen‘ ist kein Kinderbuch aber ein Buch, das das Kindsein sucht – eines das nicht wissen, sondern lernen will“, meint Moser.

17 Autoren mit 17 verschiedenen Aspekten.

Thema Schuld bietet viele Zugänge
Vergangenes Jahr feierten die Rauriser Literaturtage mit einem sehr dichten Programm ihr 40-Jahr-Jubiläum, aber auch heuer konnte Festivalleiterin Britta Steinwendner aus dem Vollen schöpfen. Das Thema Schuld bietet eine breite Palette von Zugängen und jeder der 17 Rauriser Autoren steht für einen anderen Aspekt.

„Ob es nun in der Liebe, in der Familie, im beruflichen Umfeld, im juristischen Verfahren, in politischen Entscheidungen oder in großer, bedrängender historischer Schuld ist – Annäherungen an das Thema gibt es viele“, so Britta Steinwendner.

salzburg.ORF.at; 30.3.2011
Adolf Muschg, Marie-Thérèse Kerschbaumer, und Marlene Streeuwitz – das sind nur drei der 17 Autorinnen und Autoren, die ab Mittwoch bei den Literaturtagen in Rauris (Pinzgau) lesen. Der Preis geht an Dorothee Elmiger.

http://oesterreich.orf.at/salzburg/stories/507279/

KULTUR    30.03.2011
Von Karin Buttenhauser, ORF Salzburg.

Rauriser Literaturtage mit Starbesetzung

Adolf Muschg, Marie-Thérèse Kerschbaumer, und Marlene Streeuwitz – das sind nur drei der 17 Autorinnen und Autoren, die ab Mittwoch bei den Literaturtagen in Rauris (Pinzgau) lesen. Der Preis geht an Dorothee Elmiger.

Preisträgerbuch schon mehrfach prämiert
8.000 Euro erhält die Schweizerin Dorothee Elmiger für ihren Debütroman „Einladung an die Waghalsigen“. Das Buch wurde bereits mit dem Aspekte Literaturpreis und beim Bachmann-Wettbewerb mit dem KELAG-Preis ausgezeichnet.

Die Strahlkraft, die dieses Buch offenbar auf Juroren ausübt, ist nicht nachvollziehbar. Das Jahr 2010 hatte bessere deutschsprachige Roman-Debüts zu bieten als diese mühsam gestrickte Geschichte rund um zwei Schwestern, die scheinbar einen Fluss, aber eigentlich ihre Mutter suchen.
Förderpreis an 43-Jährigen
Die 4.000 Euro des Rauriser Förderungspreises gehen heuer an Martin Amanshauser. Der Sohn von Gerhard Amanshauser wird heuer 43 Jahre alt, und ist längst etabliert.

Gefördert wird er trotzdem: Wie alle musste er seinen Text zum vorgegebenen Thema „Kompass“ anonym vorlegen – und dieser wurde prompt von der Jury als beste Einreichung erkoren. Wie auch immer, ein Förderpreis sollte eigentlich den literarischen Nachwuchskräften zugute kommen und nicht den alten Hasen.

Die beiden Rauriser Literaturpreise strahlen heuer also nicht so hell, warten wir ab, was die 41. Rauriser Literaturtage sonst noch bringen.
Schuld-Frage als thematische Klammer
Die thematische Klammer der vorgestellten Bücher ist der literarische Umgang mit der Schuld-Frage. Die Literaturtage dauern bis Sonntag.