Weihnachtsgeschichte 2015

eine eher „wolkige“ Weihnachtsgeschichte… 24 12 2015

Stille Weihnacht

Rahmenerzählung, wär mal noch zu vertiefen!

Wie ein schwarzer Vogel in schwarzer Nacht, dachte sie. Dieses üble Würgen in der Kehle und kein erlösender Schneefall. Besser wieder das Kunststoff-Bäumchen als ein abgeschnittenes echtes, das langsam sein Leben aushaucht.

Carolas Kinder waren längst ausgeflogen. Ihr Mann war schon früh zu Bett gegangen.

Alle Weihnachtsgrüße waren längst verschickt. Heidelinde hatte sich schon im Vorjahr nicht mehr gerührt. Zwei weitere Brieffreunde waren Carola übers Jahr weitgehend abhanden gekommen. Bei Jonas war’s eine schwere Erkrankung. Auch Walter meldete sich nur mehr höchst selten.

Was nicht alles aussagt. Es gibt Gesellschaftsleben und neue Freunde. Nur in diesem Jahr war es damit nicht weit her. Viel zu viel Arbeit, durchbrochen von Abwesenheit durch mehr und weniger nötige Reisen. Da wird man für sein Umfeld nach und nach zum Phantom.

Das einschichtige Haus der Familie Landwalder ist gemütlich und komfortabel. Dennoch verirren sich selten Gäste an diesen idyllischen Ort. Es mochte an ihr liegen, die mit ihren Intellektuellen Vorlieben so gar nicht ins Umfeld passte, oder an ihrem Mann Gerd, von dem niemand außer er selbst überzeugt war, dass er ein umgänglicher Zeitgenosse wäre.

Man kann in Traurigkeit ertrinken. Vielleicht auch an Einsamkeit ersticken. Man spricht von seelischem Verkümmern, überlegte Carola. Doch das kann sicher auch ein Verhungern werden. Man stirbt ja auch an gebrochenem Herzen…

Eine rabenschwarze Nacht, obwohl Vollmond. Ein Versinken in ein Nichts nach einem milden, sonnigen Tag. Die Beziehungen sind es nicht. Die Ursache kann nur in mir zu finden sein, glaubt Carola.

Es wird spät, aber sie ist hellwach. Ein Kaffee zu viel. Sie möchte sich nicht betäuben, nicht ablenken. Sie möchte sich nicht in eine Scheinwelt der Weihnachtsmythen stürzen, wie sie heute leichter denn je verfügbar ist. Eine Meditation für den Weltfrieden – auch das nicht. Das hätte sie früher gemacht – nun, vielleicht doch noch, später.

Die Frage ist: Fühle ich eigentlich noch mehr als dieses unbehagliche Würgen? Sollte ich nicht Dankbarkeit, Freude, Fröhlichkeit über meine Situation empfinden? Viele wirklich arge Sachen, die man nachträglich Lebenserfahrung nennt, sind ausgestanden und so unsäglich viele Mühen. Doch, da ist noch was. Da lässt sich Einiges ausloten. So genau hab‘ ich es noch nie beobachtet! Ein seltsames Wogen.

Ein ganz anders besinnlicher Abend am Herdfeuer. Das Würgen sind all diese ungeweinten Tränen. Die Energie von Weihnachten ist wie eine Wolke, die die Gefühle mildert. Ja, da ist etwas Sanftes, Tröstliches. Wie ein sachter Mantel. Carolas Herz ist ruhig. Das weiche Pochen und der schwache Lichterschein von diesem Bäumchen, das sich unter Dach befindet, aber dennoch ohne Christbaumschmuck blieb. Das Bäumchen… für glitzernde Kugeln und Girlanden reichte unser Bemühen nicht. Nur für uns…

Auch ich bin ein Mittelding. Funktioniere, aber mehr nicht. Was ist noch echt an mir? Und: War ich überhaupt jemals schonungslos ehrlich zu mir? Was hat mein Name mit mir zu tun? Ich bin ein Mensch, doch was ist ein Mensch?

Unnützes Grübeln, stellt der Mensch, der Carola genannt wird, fest. In dieser Zeit könnte ich etwas für die Welt tun, oder für mich, ist im Endeffekt eins. Schon wieder die Spiele fortsetzen? Flugs das Innehalten entwerten und Flucht in Beschäftigung?

Selbsterforschung noch nicht abgeschlossen. Danach Ziele hinterfragen. Dann erst wieder weiter, weiter. Das Innehalten hat gerade erst begonnen.

Es ist ein stummer Schrei in mir, der nicht durch Schreien frei wird. Da sind auch Treue, Mitgefühl, Bewegungsdrang und und…

Früher hätte ich Tarotkarten aufgeschlagen oder das I Ging befragt. Früher… Da hätte ich auch bei jedem Schmerz sofort ein Schmerzmittel genommen.

Carola hielt wacker allen Ausflüchten stand. Doch nun ließ entweder die Wirkung des schwarzen Gebräus nach oder die Müdigkeit kam von den Tagesmühen und vom langen Sitzen. Ein Mensch ist ein Wesen, das leicht ermüdet, entschied sie. Jedenfalls trifft das auf den Menschen zu, der Carola heißt und nun kaum mehr klar denken kann.

Was für ein Geschenk, diese Müdigkeit. Dunkel und Hell vermischten sich zu einer neutralen Wohligkeit. Das Flackern des Feuers im Herd, das Ticken der Wanduhr. Und Im Hof das stille Lichterbäumchen. Gerd… Er schläft tief und fest. Ohne ihn wär’s wirklich einsam.

Morgen wird es wieder sonnig. Ich werde ein paar Kleinigkeiten erledigen, ein wenig Spazieren gehen. Die Meditation – ja, vor dem Schlafengehen ein wenig. Das Würgen ist weg. Carola ist es, als ob wieder milde Strahlen von ihr ausgehen. Sie atmet langsam und bewusst. Es ist ruhig, bis auf das letzte Knistern im Herd. Sie löscht die Lichter. Es ist so wunderbar, dass es das Morgen gibt.